Bei Krebserkrankungen beträgt die Heilungsbewährung in der Regel fünf Jahre. Der Wortlaut in der Regel betrifft hierbei die Abkürzung des Zeitraums bei bestimmten Erkrankungsbildern, nicht aber die Eröffnung der Möglichkeit einer jeweiligen Einzelfallentscheidung in Bezug auf eine Bestimmung des individuell angemessenen Zeitraums der Heilungsbewährung. bestimmt sein.
1. Auch eine insgesamt ungünstige Prognose einer bösartigen Erkrankung kann regelmäßig nicht zu einer Verlängerung der Heilungsbewährungszeit führen.
2. Bei Krebserkrankungen beträgt die Heilungsbewährung in der Regel fünf Jahre. Der Wortlaut in der Regel betrifft hierbei die Abkürzung des Zeitraums bei bestimmten Erkrankungsbildern, nicht aber die Eröffnung der Möglichkeit einer jeweiligen Einzelfallentscheidung in Bezug auf eine Bestimmung des individuell angemessenen Zeitraums der Heilungsbewährung.
Der 1960 geborene Kläger ist schwerbehindert im Sinne von §§ 2 Abs. 2, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Als gravierendste Gesundheitsstörung liegt bei dem Kläger eine Weichteilerkrankung des rechten Schulterblattes in Heilungsbewährung vor. Zwischen den Beteiligten ist die Dauer der Heilungsbewährungszeit streitig.
Auf den Erstantrag vom 20.02.2012 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 15.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2012 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest. Auf den am 10.10.2014 eingegangenen Neufeststellungsantrag stellte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 12.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2015 einen GdB von 70 fest. Hierbei berücksichtigte der Beklagte folgende Gesundheitsstörungen:
1. Weichteilerkrankung des rechten Schulterblattes (in Heilungsbewährung) (Einzel-GdB 50);
2. Sehminderung rechts (Einzel-GdB 30);
3. Durchblutungsstörungen des Herzens, Koronardilatation, Stentimplantation, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen (Einzel-GdB 20);
4. Schwerhörigkeit beidseits (BG-Bescheid Süddeut. Edel- u. Unedel-BG 25.10.1991, Az: BK 73/86/09704/2) (Einzel-GdB 20);
5. Schlafapnoe-Syndrom (Einzel-GdB 10);
6. Refluxkrankheit der Speiseröhre, Speiseröhrengleitbruch (Einzel-GdB 10);
7. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen (Einzel-GdB 10).
Der Änderungsbescheid vom 12.02.2015 enthält einen Hinweis dahingehend, dass der Schwerbehindertenausweis bis Ende Dezember 2019 gelte. Grund hierfür ist, dass der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten mit Stellungnahme vom 06.02.2015 eine Nachprüfung wegen möglicher Heilungsbewährung der Gesundheitsstörung Nr. 1 erforderlich gehalten hat. In dem Widerspruchsbescheid vom 06.05.2015 ist ein weiterer Hinweis dahingehend aufgenommen worden, dass eine Verlängerung der Heilungsbewährungszeit nicht möglich ist.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 28.05.2015 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Das SG hat die Schwerbehinderten-Akten des Beklagten beigezogen und umfassend Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers, insbesondere der Praxis für Hämatologie und Onkologie B-Stadt, eingeholt. Dr. S. hat mit internistisch-versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 18.09.2015 ausgeführt, dass ein Gesamt-GdB von 70 zutreffend und eine Nachprüfung im April 2019 einzuleiten sei.
Ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des SG vom 16.11.2015 hat der Bevollmächtigte des Klägers klargestellt, dass es ausschließlich um die Frage der Dauer der Heilungsbewährung geht. Ein höherer GdB wird nicht angestrebt.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 12.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2015 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, eine Heilungsbewährungszeit von 8 Jahren festzustellen.
Die Bevollmächtigte des Beklagten hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Nachfolgend hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 12.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2015 mit Urteil vom 16.11.2015 abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig. Es fehle an einem entsprechenden Rechtsschutzbedürfnis. Die Frage der Dauer der Heilungsbewährung stelle keine mit dem streitgegenständlichen Bescheid getroffene Regelung dar. Ob eine Heilungsbewährung tatsächlich eintrete, werde gegebenenfalls in einem späteren Verfahren zu prüfen sein, namentlich dann, wenn der Beklagte aus Anlass des von ihm gesetzten Überprüfungstermins einen Herabsetzungsbescheid erlasse. Erst dann sei der Kläger mit einer Regelung konfrontiert, die ihn dahingehend belaste, dass bei ihm möglicherweise der mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid festgestellte Gesamt-GdB aufgehoben werde. Erst im Zusammenhang mit der dann gegebenenfalls ergehenden Entscheidung sei der Kläger belastet. Der Ablauf der Heilungsbewährungszeit stelle ggf. eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen dar und bilde demnach die Grundlage für ein Herabsetzungsverfahren nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Ausschließlich in jenem Verfahren hätten demnach die Fragen der Heilungsbewährung ihren Platz (vgl. - richtig - Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.07.2015 - L 13 SB 122/14 -; juris).
Abschließend hat das SG darauf hingewiesen, dass der Beklagte im Übrigen ohne Ankündigung einer Nachprüfung diese dennoch durchführen könne. Der insoweit vorhandene Bescheidtext sei ausschließlich informatorischer Natur. Die nur befristete Ausstellung des Schwerbehindertenausweises berühre die grundsätzlich unbefristete Feststellung des GdB nicht.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 15.02.2016 geht am selben Tag beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des Senats werden die Schwerbehinderten-Akten des Beklagten und die erstinstanzlichen Streitakten beigezogen.
Der Senat hört die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 21.03.2016 wie folgt an: Die Prüfung der beigezogenen Akten des Beklagten und des SG hat ergeben, dass die Berufung offensichtlich unbegründet ist. Es ist daher beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, da der Senat diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Denn ausweislich des klägerischen Schriftsatzes vom 24.09.2015 und der Niederschrift vom 16.11.2015 ist nur die Dauer der Heilungsbewährungszeit (8 Jahre) streitig. Eine etwaige Klageerweiterung hält der Senat nicht für sachdienlich.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 06.04.2016 unter Bezugnahme auf die Hinweise des Senats vom 21.03.2016 gebeten, den Rechtsstreit wie angekündigt durch Beschluss zu entscheiden. Sinngemäß wird beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.11.2015 aufzuheben und den Bescheid vom 12.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2015 dahingehend abzuändern, dass eine Heilungsbewährungszeit von acht Jahren zugrunde gelegt wird.
Der Beklagte hat bereits mit Schriftsatz vom 14.03.2016 beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.11.2015 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Der Senat konnte durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu mit Nachricht vom 21.03.2016 gehört worden.
Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 12.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2015 zutreffend mit Urteil vom 16.11.2015 abgewiesen. Der Kläger ist durch die vorgesehene Nachprüfung im Jahr 2019 wegen möglicher Heilungsbewährung nicht in seinen Rechten beschwert.
In der Sache sieht das BayLSG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es die Berufung bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung (wie vorstehend wiedergegeben) als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der "Heilungsbewährung" um ein sozialrechtliches Institut handelt, welches nach Maßgabe der früheren "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" (AHP) wie auch der nachfolgend seit dem 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VMG) Folgendes beinhaltet: Im Rahmen bestimmter Erkrankungen, wie zum Beispiel bösartiger Tumorerkrankungen, ist nach der Tumorentfernung im Sinne einer Primärtherapie für eine bestimmte Zeit pauschal ein höherer GdB anzunehmen, als in der Regel aufgrund des infolge des Organschadens bzw. der Therapiefolgen tatsächlich bedingten Funktionsbeeinträchtigungen gerechtfertigt wäre. Dabei sollen neben der Rezidivgefahr insbesondere auch die weiteren vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, Beseitigung und Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind, berücksichtigt werden (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 09.08.1995 - 9 RVs 14/94 - juris Rdnr. 13), und zwar unabhängig davon, ob diese Folgewirkungen im konkreten Fall tatsächlich eingetreten sind oder nicht.
Nach rückfallfreiem Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung tritt insoweit eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ein, als dann nach medizinischer Erfahrung regelmäßig die Krebserkrankung in dem Sinne überwunden ist, dass eine unmittelbare Lebensbedrohung nicht mehr besteht, und außerdem die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung in aller Regel entfallen oder wenigstens gemindert sind, so dass eine von den konkreten Verhältnissen unabhängige abstrakte Einschätzung des GdB nicht mehr gerechtfertigt ist. Dies bedeutet, dass dann die bisherige abstrakte Bewertung der unterstellten körperlichen und seelischen Auswirkungen der Erkrankung als nicht mehr angemessen angesehen und daher zu gegebener Zeit die Neufeststellung des GdB notwendig wird. Hintergrund und Zweck der Heilungsbewährung ist nämlich eine pauschalierende Besserstellung der durch eine Tumorerkrankung Betroffenen für einen bestimmten, aufgrund allgemeiner statistischer Erkenntnisse festgelegten Zeitraum nach der Diagnose ohne eine individuelle Betrachtung des Einzelfalles mit seinen jeweils tatsächlich bestehenden Beeinträchtigungen. Die hieraus resultierenden Nachteilsausgleiche werden jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum gewährt (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.07.2015 - L 3 SB 122/14 -, juris Rdnr. 20 und 21).
Auch eine insgesamt ungünstige Prognose einer bösartigen Erkrankung kann regelmäßig nicht zu einer Verlängerung der Heilungsbewährungszeit führen (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 26.11.2013 - L 3 SB 13/10 -, juris Rdnr. 26). Denn nach Teil B Ziffer 1c VMG beträgt die Zeit der Heilungsbewährung bei Krebserkrankung "in der Regel" 5 Jahre. Kürzere Zeiträume werden in den Tabellen vermerkt. Der Wortlaut "in der Regel" betrifft hierbei diese Abkürzung des Zeitraums bei bestimmten Erkrankungsbildern, nicht aber die Eröffnung der Möglichkeit einer jeweiligen Einzelfallentscheidung in Bezug auf eine Bestimmung des individuell angemessenen Zeitraums der Heilungsbewährung im konkreten Einzelfall. Bei der Anhebung des GdB unter dem Gesichtspunkt der Heilungsbewährung handelt es sich vielmehr um ein mehr oder weniger pauschales Verfahren, in welchem auch der psychischen Ausnahmesituation (Rezidivangst) umfassend Rechnung getragen werden soll (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.07.2015 - L 13 SB 122/14 -, juris Rdnr. 23).
Somit ist hier nicht berücksichtigungsfähig, dass der Onkologe Dr. K. mit Befundbericht vom 07.04.2015 aufgrund der hier langsamen Proliferationsrate von einer Heilungsbewährungszeit von 5 - 7 Jahren ausgeht.
Ob und ggf. wann bei dem Kläger eine Heilungsbewährung eintritt, bzw. eingetreten sein wird, hat der Beklagte zu gegebener Zeit (hier im Jahr 2019) zu prüfen. Erst eine dann möglicherweise ergehende Entscheidung mit Inhalt Herabsetzung des GdB würde für den Kläger eine rechtliche Beschwer enthalten. Hier fehlt es jedoch an einem Rechtsschutzbedürfnis, wie das SG mit Urteil vom 16.11.2015 bereits zutreffend ausgeführt hat.
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.11.2015 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).